Schleußig, ein Stadtteil im Herzen Leipzigs

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Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 1. Februar 2010 (Seite 21)
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"Mehr Insel geht nicht"

Schleußiger Bürgerverein übers Leben nahe der Natur, über Hoffnungen und Pläne


Tobias Hönemann ist Vorsitzender der Initiative Schleußig.
Foto: André Kempner

Hunderte Brücken hat Leipzig - doch nur eine einzige Insel: Schleußig. "Ohne eine Brücke zu überqueren, kommt man nicht zu uns", sagt Tobias Hönemann und nennt nur die bekanntesten: "Klinger- und Ernst-Mey-Brücke, Rennbahnsteg, jene Brücken, die über den Schleußiger Weg, die Antonien-, Industrie- oder Karl-Heine-Straße führen", bei elf Überquerungen hört er schließlich auf. "Na? Mehr Insel geht nicht!", spricht der gebürtige Schleußiger über seinen Stadtteil. Hat es doch mit Stolz und Heimatgefühl zu tun. Wie sollte man auch nicht ins Schwärmen geraten, wo doch Weiße Elster, Pleiße, Elsterflutbett und Auwald das Viertel umrahmen. "Einzigartig. Man fühlt sich verantwortlich."

Tobias Hönemann ist Vorsitzender der Initiative Schleußig. Der Bürgerverein engagiert sich schon seit 1997, wenn es um Probleme und Interessen von Menschen vor Ort geht. Doch kommen die Mitglieder zusammen, dann werden auch Geschichten erzählt, vom Leben nahe der Natur, von Straßenfesten, von Kindertagen in Schleußig. Gern erinnert sich Ingrid Gorr an das Budenbauen in der Nonne. Auf der großen Wiese in dem Waldstück hat auch Hönemann mit seinen Freunden gespielt. "Ob Sommer oder Winter - wir waren bei jedem Wetter draußen", sagt der 49-Jährige. Wenn die Kirche sechsmal läutet, bist du oben, habe die Mutter nur gemeint.

Die von den Schleußigern liebevoll Zitronenpresse genannte Bethanienkirche in der Stieglitzstraße war auch für Stefan Walther eine Richtschnur. Wie schnell konnte man beim Streunen durch den Auwald oder beim Stadtparkrennen, das auch durch den Nonnenweg führte, die Zeit vergessen: Nicht weniger wichtig ist die Kirche nun für den erwachsenen Musiker: "Das Rundfunk-Blasorchester Leipzig nutzt den Saal der Kirche oft für seine Tonaufnahmen", erzählt der Konzertmeister des Ensembles. Doch für einen "Inselbewohner" ist natürlich besonders das Wasser prägend: "Ich stand am Fenster in der Holbeinstraße und sah gebannt auf die brodelnde Elster", erinnert sich Walther an das Hochwasser von 1954. "Bis zum Brückenrand fehlten nur noch wenige Zentimeter." Angst? Für den Jungen waren die Naturkräfte eher faszinierend.

Anziehend ist die Natur auch ohne diese Extreme: Aus Schleußig zieht man nicht so schnell weg. Doch warum nannte man den Stadtteil manchmal Protzendorf? Da räumt Hans-Joachim Nitzschke gleich mal mit einem Vorurteil auf. Nein, mit Angeben habe das ursprünglich nichts zu tun. "Die Protze war eine Art Karre - mit ihr schaffte man die Verstorbenen einst nach Kleinzschocher. Denn Schleußig hatte als einziger Vorort von Leipzig keinen eigenen Friedhof. Zugegeben - "später wurden gewisse Eigenschaften manch Beamten ­zugeschrieben - sie und andere gut Betuchte bewohnten in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts bestimmte Straßen. Diese luden mit ihren breiten Fußwegen zum Flanieren ein. Sehen und gesehen werden lautete das Motto vor allem an den Sonntagen."

Davon kann heutzutage keine Rede sein. Fahrräder lehnen selbst an Wintertagen an den Hauswänden. In Schleußig gibt man sich eher unkonventionell - immer mehr junge Familien zieht es in das Viertel, sie sorgen mit ihrem Nachwuchs für Kinderlachen auf der Insel. Besonders für die Jüngsten organisiert der Bürgerverein alljährlich im Herbst das Halloweenfest - dann zieht ein langer Lampionumzug durch die Straßen zum Gartenverein. "Das Fest ist auch eine Brücke zu den Eltern, man kommt mit Zugezogenen ins Gespräch, hört ihre Freuden oder Sorgen." Letztere sind für die Initiative Schleußig immer wieder Anlass, sich zu engagieren.

Viel wurde in den vergangenen Jahren mit dem Durchhaltevermögen der Mitglieder erreicht: Sie haben sich für die Kaufhalle an der Rödelstraße und den Konsum in der Könneritzstraße eingesetzt, für den Verbleib der Internationalen Schule gekämpft, den Bau der Schleußiger Brücke vorangetrieben und gemeinsam mit dem Tiefbauamt manch Verkehrssituation verbessert. "Nun hoffen wir", so Hönemann, "dass der Fahrbahnausbau der Könneritzstraße bald starten kann. Eine funktionierende Infrastruktur", lacht er, brauche schließlich besonders eine Insel.

Ingrid Hildebrandt

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Lesergeschichten

Überraschung in Bethanienkirche gefunden

Vor wenigen Jahren bin ich mit meiner Familie nach Schleußig gezogen. Schon bald erhielten wir eine Einladung in unsere neue Kirchgemeinde. Pfarrer und Kantor führten uns durch die Bethanienkirche. Von den reizvollen Turmaustritten hoch oben bis zu den unteren Gemeinderäumen bekamen wir alles gezeigt. Da unten blieb ich wie erstarrt stehen. Rechts an der Wand im Mauerwerk befand sich eine Plastik, die ich sofort erkannte. Hier handelte es sich um einen der 30 farbig glasierten Christusköpfe vom Fries des ehemaligen Leipziger Dominikanerklosters St. Pauli, das 1482 am Dormitorium angebracht worden war.

Um 1830 wurden die Klosteranlagen, seit 1543 im Besitz der Universität, zum Bau des Augusteums abgebrochen. Einige der 30 Hafnerkeramiken wurden gerettet. Sie befinden sich in der Uni-Kustodie, im Alten Rathaus, im Museum für Handwerk sowie in Museen zu Dresden und Nürnberg. Nun wusste ich mehr: Auch in der Bethanienkirche gibt es eine. Natürlich musste ich ermitteln, wie sie hierher gelangte. Da konnte mir der inzwischen verstorbene Professor Kurt Götting, langjähriger Vorsitzender des Kirchenvorstandes, helfen. Auf unbekanntem Weg kam die Keramik in das alte Schleußiger Gut und wurde gemeinsam mit einem Stein, der die Jahreszahl 1482 trägt, an einer Säule des Kellergewölbes zwischen Fässern und Krügen, Holz und Kartoffeln angebracht. Dort verblieb sie rund 100 Jahre. Die imposante Bethanienkirche wurde in den Jahren von 1931 bis 1933 geweiht. Aus diesem Anlass beschenkte die letzte Besitzerin des Schleußiger Gutes, Frau Stieglitz, die Gemeinde mit dieser mittelalterlichen Plastik. Mit dem Jahresstein fand sie ihren Platz in der neuen Kirche. Heute verharre ich dort immer einen Augenblick, bei diesem uralten Zeugnis aus unserem Leipzig.

Otto Künnemann, 04229 Schleußig

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Wie vom Amt für Statistik und Wahlen zu erfahren war, konnte Plagwitz am Ende des vorigen Jahres 11 800 Einwohner und Schleußig sogar 12 000 Einwohner vorweisen - Tendenz steigend. Kein Wunder, gibt es doch dort eine große Zahl von Wohnbauten aus der Gründerzeit, die als Vorzeigeobjekte Leipzigs gelten.
Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wuchs der Bedarf nach Wohnraum. Typisch für den Baustil der so genannten Gründerzeitarchitektur ist die meist von privaten Wohnungsbaugesellschaften errichtete, etwa vier- bis sechsgeschossige Blockrandbebauung mit ihren reich dekorierten Fassaden. Die einzelnen Dekorationsformen lehnten sich an historische Stilformen an. Üppig ausgestattete Treppenhäuser und handwerklich exquisit ausgeführte Details im Inneren weisen ebenso auf historische Formen hin.

r.

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 2. Februar 2010 (Seite 20)
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FDJ-Wohngruppe und "Bunter Faden"

LVZ-Reporterauto in Schleußig: Bewohner tragen Erinnerungen an Stadtteil zusammen

Trotz der frostigen Temperaturen ließen es sich die LVZ-Leser nicht nehmen, am vergangenen Donnerstag in die Rödelstraße zu kommen. Geschichten von früher und heute hatten sie zu erzählen, und auch untereinander wurde sich rege ausgetauscht. Berührungsängste gab es nicht und auch keine schlechte Laune - im Gegenteil, jeder hatte ein Lächeln auf den Lippen.

Einer der Ersten vor Ort war Karl-Ferdinand Fischer. Im Gepäck hatte er zahlreiche alte Fotos seines Elternhauses und jede Menge lustige Erinnerungen an die Jugendzeit in der Rödelstraße 1. Gleich neben dem 1932 erbauten Elternhaus wohnte Heinz Schöbel. Er war deutscher Verleger, Autor und ranghoher Sportfunktionär in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Er wirkte von 1955 bis 1973 als Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) der DDR und gehörte von 1966 bis zu seinem Tod dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) an. "Anfang der Siebzigerjahre bekam Schöbel Besuch von Avery Brundage, dem amerikanischen NOK-und späteren IOC-Präsidenten. Die ganze Straße wurde abgesperrt. Und jedem Nachbarn, der am Gartenzaun stand und zusah, schüttelte er die Hand. Auch mir und meiner gesamten Familie." 1943 sei Fischer hier in Schleußig geboren und aufgewachsen. "Da beschäftigt man sich intensiv mit seinem Stadtteil." Bilder habe er damals mit einer Plattenkamera auf Glas gemacht - die war von seinem Vater.

"Woher wissen die das?", fragte sich Wolfgang Mehner, als er am Donnerstag in der LVZ die Überschrift "Buchmacher von Kleinzschocher" las. "Ich dachte sofort an das einstige Wettbüro in der Dieskaustraße, in dem meine Tante und mein Onkel arbeiteten." Doch im Zeitungsartikel ging es um die Interessengemeinschaft, die schon zwei Bände zur Stadtteilgeschichte auf den Markt gebracht hat. Als sich Mehner den Beitrag näher anschaute, musste er schon wieder staunen. Auf dem dazugehörigen Foto war doch tatsächlich eine Bauzeichnung vom Haus in der Klarastraße 18 zu sehen. "Da habe ich gewohnt", freute er sich. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Nebenhaus Nummer 20 ein Opfer der Bomben. "Um ein Haar wäre auch unser Haus zerstört worden", erinnert sich der Rentner. "Doch die Bombe durchschlug mehrere Decken und blieb schließlich in einem Bett liegen. Glücklicherweise wurde dabei der Zünder abgesprengt. Wenn die Bombe explodiert wäre, würde ich heute sicher nicht hier stehen." Als diese schreckliche Zeit vorbei war, zog unter anderem auch das "Elstertal" die Besucher magisch an. "Ich erinnere mich an herrliche Tanzabende mit den Kapellen Gehrmann und Willy Noack", berichtet Mehner. "Mittwochs sowie sonnabends und sonntags war da was los."

Daran kann sich auch Sigrid Wustrow noch gut erinnern. Die Schleußiger Taxifahrerin schwärmt besonders vom Tanzorchester Helmut Opel. "Nur im Sommer mussten wir immer mal auf die Musiker verzichten, denn da spielten die im Ostseebad Sellin auf der Seebrücke", erzählt sie von den Fünfzigerjahren. Was ihr an Schleußig so gut gefalle? "Es liegt sehr verkehrsgünstig, und man ist trotzdem schnell im Grünen und an den nahen Seen. Ich warte sehnsüchtig auf den Flussdurchbruch zum Cospudener See."

Von einer schon mehr als ein halbes Jahrhundert haltenden Freundschaft erzählt Helga Weißflog: "Ab Ende der Vierzigerjahre gab es in Kleinzschocher eine FDJ-Wohngruppe. Da habe ich meinen Mann kennengelernt, insgesamt gingen aus der Gruppe sieben Ehepaare hervor." Gemeinsam habe man viel unternommen, unter anderem Wanderungen in der Sächsischen Schweiz. Per Zeitungsanzeige fand sich die Gruppe schließlich 1998 wieder zusammen. "Und nun treffen wir uns regelmäßig zum Wandern", freut sich Weißflog. An seine Kindheit in Plagwitz hingegen erinnert sich ihr Mann Wolfgang. Von 1937 bis 1955 lebte der heute 79-Jährige in der Gießerstraße. "Gucken Sie mal", deutet er auf einen vergilbten Zettel, der die Aufschrift "Schulgeld-Quittungsbogen" trägt. 120 Reichsmark jährlich hätten hiesige Schüler, 180 auswärtige für den Besuch an der Mittelschule in der Dieskaustraße bezahlen müssen.

Erinnerungsstücke hat auch Andreas Walther mitgebracht. Stolz hält der 58-Jährige einige Ausgaben der Betriebszeitung der Buntgarnwerke - "Bunter Faden" - in den Händen. Walther als Blutspender und auch sein Kater Putzi waren damals in den Achtzigern Teil der Berichterstattung. 22 Jahre hat der Leipziger als Maschinenschlosser dort gearbeitet und unter anderem Ringspinnmaschinen in Schuss gehalten. "Meine ganze Familie war in den Buntgarnwerken beschäftigt", erinnert er sich. Umso schlimmer kam für ihn 1992 die Nachricht der Schließung. "An meinem Arbeitsplatz wohnen sie jetzt", sagt er mit Wehmut in der Stimme. Auch wenn ihm das, was man aus den Werken gemacht hat, gefällt.

Nannette Hoffmann, Bert Endruszeit, Uta Zangemeister